Die dickste Frau der Welt
(La donna più grassa del mondo)
Sprechtheater
Schauspiel
Übersetzer:in(nen): Heymann, Sabine
Dekorationshinweis:
1 Dekoration
Besetzung:
1D,
2H
Aufführungsgeschichte:
UA 2018 MaMiMò, Mailand, Regie Angela Ruozzi
Frei zur DSE
In TTX seit: 08.06.2020
Anmerkung von Angela Ruozzi, Regie der UA: Wir alle glauben, dass wir unter Bedingungen des Wohlbefindens leben. Bis wir daran zweifeln, dass wir es tun. Man hat uns implizit beigebracht, dass wir in der bestmöglichen Welt leben und es daher absurd ist, eine bessere Welt aufbauen zu wollen (und was wäre das?); doch die Zunahme des Konsums von Psychopharmaka in unserem Land lässt uns glauben, dass dieses "Wohlbefinden" offensichtlich nicht weit verbreitet ist. Vielleicht war die Geschichte von der besten aller möglichen Welten eine Lüge. Wir sind nicht glücklich. Wir sind ständig hungrig. Wir haben Häuser voller Objekte, aber wir wollen immer neue. Wir sind voll von Kontakten, aber wir sind nie ganz zufrieden. Wir sind hungrig. Wir werden von Unersättlichkeit geplagt. Reine Unersättlichkeit. Unsere Gesellschaft hat eine große Freiheit erreicht, aber diese Freiheit hat uns nicht befreit. Wir sind nach wie vor hungrig. Dieser unersättliche Hunger, diese immanente Leere, spricht zu uns von einer sehr realen Sache, von einer tiefen Leere im Zentrum unserer Kultur, die durch die Zerstörung von Ideen und Traditionen entstanden ist, die durch Wirtschaftssysteme (die zu ideologischen Systemen geworden sind) ersetzt wurden, so dass der Mensch an nichts anderes mehr glauben muss, als an die Befriedigung seines eigenen Verlangens. Die Sehnsucht ist unser letztes Idol geworden. Das Gesetz, das die Menschen heute regiert, ist die unumstrittene Bekräftigung ihrer Wünsche. Die unumstrittene Bejahung des eigenen Genusswillens durch die Zerstörung aller Tabus. Macht uns die Zerstörung von Tabus freier? Oder machen uns Grenzen frei? Die dickste Frau der Welt hat sich auf die Suche nach maximalem Glück und Genuss durch Essen und die Zerstörung aller gesellschaftlichen Klischees begeben, aber sie erreicht keinen Zustand des Glücks. Vielmehr verurteilt sie sich und andere zur Selbstzerstörung und Zerstörung des Ökosystems, in dem jeder Mensch lebt. Diese dicke Frau, die zwar ein Symbol der Unersättlichkeit ist, gleichzeitig aber auch eine Metapher für Fruchtbarkeit bleibt, suggeriert uns, dass es etwas gibt, das wir Menschen für unser wahres Wohlergehen brauchen und das wir nie aufhören werden zu wünschen: Gemeinschaft, Verbindung, Kontakt zur Natur, Gleichgewicht, das Gefühl einer Mission, die größer ist als unsere unmittelbaren, zersplitterten Wünsche.
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