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Leitgeb, Josef

Lienhard Tengg, der Hütebub aus Tirol
Der Zauberbubenprozeß gegen den Tiroler Hütebuben vor dem Blutgericht Meran 1679. Ein Historienspiel zur Hexenverfolgung in Tirol im 17. Jahrhundert.
(Kinderlegende. Historischer Roman zur Hexenverfolgung im Tirol des 17. Jahrhunderts)

Sprechtheater
Freilicht, Schauspiel, Tragödie, Volksstück

Bearbeiter:in(nen): Rathgeber, Helmut Walter, Dr. phil.

Werkangaben: Josef Leitgeb, Kinderlegende, Historischer Roman, Fortsetzungsroman Vossische Zeitung Berliin
Dekorationshinweis: beliebig

Publikation: Dr. phil. Hansjörg Rabanser, Tiroler Landesmuseum: Vom Hexenprozessakt zum Roman. In: Wissenschaftliches Jahrbuch 2020.
Zusatzinformation: frei zur UA
Der diesem Bühnenstück zugrundeliegende Historische Roman "KINDERLEGENDE" ist zuerst (ca. 1930 ff) als Fortsetzungsroman in der "Vossischen Zeitung", Berlin, erschienen und dann 1934 als Buch in Berlin in erster Auflage im jüdischen Verlag Bruno Cassirer, der wegen der national-sozialistischen Gewaltherrschaft 1936 eingestellt werden mußte.
Rechtevertretung: Bengelmann Theater Verlag
Dauer: abendfüllend

Frei zur UA

In TTX seit: 14.02.2024

LIENHARD TENGG, DER HÜTEBUB AUS TIROL. Untertitel: Der Zauberbubenprozeß gegen den Tiroler Hütebuben vor dem Blutgericht Meran 1679. Ein Historienspiel zur Hexenverfolgung in Tirol im 17. Jahrhundert.
Dieses Trauerspiel zum Zauberwahn, zu Wettermachern, Hexern und Hexen und somit zur Hexenverfolgung im Rahmen großer Hexenprozesse im Tirol des 17. Jahrhunderts ist eine werkgetreue Bühnenbearbeitung des Historischen Romanes „KINDERLEGENDE“ (vgl. die "Kinderlegenden" bei den GEBRÜDERN GRIMM) des österreichischen Lyrikers und Schriftstellers Josef Leitgeb zum Schicksal des der Zauberei und Wettermacherei verdächtigten, aus der Ortschaft Stumm im Zillertal stammenden Hütebuben Leonhard Tengg, der als des Lesens und Schreibens Unkundiger, als völlig mittelloser umherziehender Saisonarbeiter („Lotterbub“) zuletzt das Vieh in der Ortschaft Marling bei Meran hütete. Der Hexenprozeß gegen Leonhard Tengg und andere „Lotterbuben“ vor kirchlicher Inquisitionsbehörde und weltlichem Gericht fand statt in der Grafschaft Tirol im abergläubischen 17. Jahrhundert, welches - so Leitgeb - weitaus abergläubischer war als das Mittelalter. Es war im Jahre des Herrn 1679, also etwa 30 Jahre nach dem 30-jährigen Krieg und 28 Jahre nach der als Justizmord einzustufenden Hinrichtung des liberal-freiheitlichen Tiroler Kanzlers Dr. Wilhelm Bienner 1651 im Schloßhof von Rattenberg.

Josef Leitgeb, geboren 1897 in Bischofshofen im Salzburger Land, gestorben 1952 an den Folgen der Kriegsverletzungen in Innsbruck, Schullehrer in Innsbruck und promovierter Jurist, Teilnehmer an den beiden Weltkriegen, expressionistischer Lyriker wie sein literarischer seelenverwandter Freund, der berühmte expressionistische österreichische Dichter Georg Trakl, wie dieser Mitarbeiter an der von Ludwig von Ficker herausgegebenen literarischen Zeitschrift „DER BRENNER“, stand unter dem Einfluß der Werke von Arthur Rimbaud und Charles Baudelaire. Sein lyrisches und erzählerisches Werk ist heute weitgehend unbekannt. Lediglich sein übersetzerisches Werk aus der französischen Sprache als Übersetzer der Werke von Antoine de Saint-Exupéry („Der kleine Prinz“) lebt heute noch weiter in der Welt der Bücher.
Was sein erzählerisches Werk betrifft, hat vor allem sein Historischer Roman zu den Hexenverfolgungen in der Grafschaft Tirol Beachtung und Anerkennung gefunden. Dieser Historische Roman erschien zuerst als Fortsetzungsroman in der "Vossischen Zeitung" und dann als Buchausgabe 1934 unter dem Titel „KINDERLEGENDE“ im jüdischen Verlag Bruno Cassirer in Berlin, der wegen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nur noch bis 1936 publizieren konnte und dann im Exil in Schweden tätig war.
Zur geistesgeschichtlichen und literarirschen Bedeutung dieses Romanes eines fast vergessenen Autors die folgenden Informationen aus einem Essay von Sarah Bengelmann-Bezalel M. A., London:
Josef Leitgeb’s Erstlingsroman „KINDERLEGENDE“ erschien lt. dem der Nachwelt erhalten gebliebenen Prospekt vom „Verlag Bruno Cassirer“, Postanschrift Berlin W 35, Derfflingerstraße 15, im Frühjahr 1934, in einer preiswerteren „gehefteten“ Ausgabe zum Preis von RM 3,20 und in einer Ganzleinenausgabe zum Preis von RM 4,80. Zuvor war der Roman als Fortsetzungsroman in der „Vossischen Zeitung“ erschienen. Im Prospekt vom Frühjahr 1934 heißt es zum Erstlingsroman Josef Leitgebs: „Josef Leitgeb wird mit diesem Erstlingswerk, dessen Vorabdruck in der Vossischen Zeitung größtem Interesse begegnete, die Augen aller auf sich lenken“. Josef Leitgeb befand sich damals also in bester Gesellschaft, denn wenige Jahre zuvor (ab dem Jahr 1928) war der Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque als Fortsetzungsroman in der Vossischen Zeitung erschienen. Daß Leitgebs Roman zuerst als Fortsetzungsroman in der Vossischen Zeitung erschienen ist, spricht unbestreitbar für die literarische Bedeutung dieses Werkes, denn in der Vossischen Zeitung, der ältesten Berliner Zeitung, waren zwischen 1751 und ihrem Ende am 31. März 1934 viele berühmte Namen als Autoren, Theaterkritiker und Rezensenten vertreten, so z.B. Gotthold Ephraim Lessing, Theodor Fontane, Kurt Tucholsky und Paul Schlesinger. Am 31. März 1934 stellte der Ullstein Verlag das Erscheinen der Vossischen Zeitung ein. (Ende des Beitrages von Sarah Bengelmann-Bezalel M. A., London).

Die zweite Auflage konnte dann 1938 im Verlag Otto Müller, Salzburg, erscheinen, die dritte Auflage erst Jahre nach dem Tode des Dichters, 1957. Eine weitere Ausgabe erschien dann 1959 als Taschenbuch in der Herder-Bücherei Basel-Freiburg-Wien. Im Jahr 2000 erschien dann im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv im Tyrolia Verlag Innsbruck innerhalb der Gesammelten Werke Josef Leitgebs eine mit umfangreichen Materialien und Kommentaren versehene Ausgabe des Romanes.
Der Roman spielt in der Zeit zwischen 1675 und 1681, in welcher im Fürstbistum Salzburg und in der Grafschaft Tirol eine der umfangreichsten Hexenverfolgungen Europas stattfand. In diesem Historischen Roman wird unter strenger Anlehnung an die erhaltenen Prozeßakten in den Meraner Gerichts-Archiven das Schicksal von LEONHARD TENGG, eines vierzehnjährigen Hütebuben aus der Ortschaft Stumm im Zillertal, literarisch verarbeitet. Nachdem in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 1679 über der Gemeinde Marling bei Meran ein schweres Gewitter mit Überflutungen und Erdlawinen niedergegangen war, wurden für dieses Naturereignis Schuldige gesucht., und zwar nicht nur von der kirchlichen Inquisitionsbehörde und dem staatlichen Gericht der Grafschaft Meran, sondern auch von der ortsansässigen Bevölkerung selber. Eine "Bürgerinitiative" im Ort Marling hatte am Tag nach dem verheerenden Unwetter mit Erdlawinen - kein Wunder, sowas, in dieser gebirgigen Kulturlandschaft mit ihren steilen Weinbergen - beim Strafgericht Strafanzeige gegen den Hütebuben wegen Hexerei gestellt. Der Bub solle als Hexer für diese "Sturmfluten von oben" verantwortlich sein (!!! sic!!!). Vergeblich versuchte der Gemeindepfarrer von Marling, - so schreibt Josef Leitgeb – „die Leute zu beruhigen und ihnen die furchtbaren Anklagen“ gegen Leonhard Tengg auszureden. Weil der Pfarrer sich schützend vor das Kind stellt, werfen die Dorfbewohner dem Pfarrer eine Verbindung mit dem Teufel vor. Die Volkswut gegen den Pfarrer steigert sich, es kommt zum Haberfeldtreiben, zum nächtlichen Pogrom gegen den Pfarrer. Josef Leitgeb zeigt an diesem historischen Beispiel, wie aus Aberglauben, Einfältigkeit und Dummheit ein hysterischer Massenwahn entsteht.
Leonhard Tengg und andere Hütebuben sowie Landstreicher wurden der Wettermacherei, der Hexerei und Zauberei verdächtigt, die von dem Gericht Stein unter Lebenberg bei Marling in Tirol und dann vom Blutgericht in Meran überführten Zauberbuben dann zum Tode verurteilt.

In den Meraner Gerichtsakten heißt es, so hat Leitgeb aus den Gerichtsakten zitiert (Leitgeb war Hauptschullehrer und promovierter Volljurist), daß das Gericht
„zurecht Erkennt, daß Vorbemelter loterpueb Leonhart Tengg durch seine obenangezaigte zauberische missetaten das Leben verwirckht und den Tott verschuldet habe, auch dem Scharffrichter yberantwortet, von demselber an gewohnliche Richtstath beglaitet, daselbsten mit dem Schwert enthaupt und alsdann der totte Cörpl auf ainem Scheiterhauffen Verprennt und der Aschen in das Wassergeworffen, also dises ybl zu meingeliches abscheichen gestrafft werden solle. Meran, den driten Novembris 1679.“
Zum Todestag des Hütebuben Leonhard Tengg:
Dr. phil. Hansjörg Rabanser (Tiroler Landesmuseum, In: Wissenschaftliches Jahrbuch 2020. Vom Hexenprozessakt zum Roman Josef Leitgebs) zitiert in seiner historischen Abhandlung aus dem Tagebuch des Priesters Laurentius Paumgartner, der darin auch den Tod Tenggs notierte: Am 13. Dezember 1679 wurde dieser gemeinsam mit zwei weiteren Knaben in Meran hingerichtet. Die Richtstätte befindet sich vermutlich an dem bei Meran in die Etsch einmündenden Fluß "Passer", entweder beim sogenannten „hölzernen Steg“ oder bei dem im Jahre 1617 errichteten Steinernen Steg am Passerufer, der ältesten bestehenden Brücke Merans.

Bei den Tiroler Hexenprozessen 1679 bis 1680 wurden z.B. beim Blutgericht Lienz im Pustertal am 25. Sept. 1680 eine gewisse Emerenziana Pichlerin und am 27. Sept. 1680 zwei ihrer Kinder im Alter von vierzehn und zwölf Jahren hingerichtet (zit. nach W. SOLDAN, Geschichte d. Hexenprozesse, Bd. II

In Meran befindet sich in einem Museum heute noch das Richtschwert des Henkers, der den zum Tode verurteilten Knaben enthauptet hat. Der Hütebub Leonhard Tengg hat für die Region Tirol etwa die historische Bedeutung wie der spanische Lehrer Cayetano Ripoll, das letzte Opfer der spanischen Inquisition, für Valencia.
Für die Hexenjagd in Deutschland ist das Schicksal des zwölfjährigen Mädchens Entgen Lenarts in Köln bekanntgeworden, welches am 18.02.1665 als Hexe zum Tode verurteilt und enthauptet wurde.
Auch in der sogenannten Neuen Welt gab es in dieser Zeit Hexenverfolgungen, literarisch verarbeitet wurde dies z. B. von Arthur MILLER mit seinem Drama „The Crucible“ (1953, dt. „Hexenjagd“) über die Hexenprozesse im Jahre 1692 in Massachusetts.

Der Hütebub Leonhard Tengg, der aus Stumm im Zillertal stammte und dort sowie auch an anderen Orten der damaligen Grafschaft Tirol (Burggrafenamt), zuletzt in Marling bei Meran, als Saisonarbeiter tätig war und am 13. Dezember 1679 in Meran enthauptet wurde, verdient ein Denkmal in beiden Ortschaften. Straßen und Plätze könnten freilich überall nach ihm benannt werden.
Der Hütebub Leonhard Tengg gehört zur Geschichte Tirols, insbesondere zur Geschichte der Gemeinde Stumm im Zillertal, aus welcher der Hütebub stammte, und zur Geschichte der Gemeinden Marling bei Meran und der Stadt Meran in Südtirol, wo er von dem Blutgericht zum Tode verurteilt und enthauptet wurde. Der österreichische Dichter Josef Leitgeb hat ihn Lienhard Tengg genannt und dem Buben ein literarisches Denkmal gesetzt.
Nach dem Dichter Josef Leitgeb wurde bereits eine kleine Straße in Meran benannt, der Josef-Leitgeb-Weg.

(Auszug aus einem Essay vn Dr. phil. Pauline Bengelmann, London, mit einem Essay von Sarah Bengelmann-Bezalel M.A., London)

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